Die Nachhaltigkeit hybrider Veranstaltungsformate

gme-Talk mit Julia Haack

17.02.2022

Sind hybride Veranstaltungen wirklich nachhaltiger und wie wirken sich Hybridität und räumliche Verteilung auf die Teilnehmer*innen aus?

Das haben wir Julia Haack, Managerin für Klimastrategien bei FORLIANCE, nach ihrem Vortrag bei den digitalen greenmeetings und events Tagen 2021 gefragt. Anhand der Fallstudie zum hybriden, räumlich-verteilten Kongress „BOCOM – Experience Borderless Communication“ konnte sie einige Fragen konkret für uns veranschaulichen.

GCB: Bevor wir inhaltlich tiefer einsteigen: Was genau ist der Tätigkeitsbereich von FORLIANCE?

Julia Haack: Forliance steht für internationalen Klimaschutz - und zwar durch die Entwicklung von Klimaschutzprojekten weltweit und die Strategieberatung in Bezug auf Klimaschutz. Mithilfe der Erstellung einer nachvollziehbaren CO2-Bilanz und zertifizierter Kompensationsprojekte unterstützen wir unsere Kund*innen bei der Umsetzung von klimaneutralen Events. Zudem initiiert, finanziert und managt FORLIANCE robuste naturbasierte Klimaprojekte und integriert sie in die Nachhaltigkeitsstrategien unserer Kund*innen, um die jeweiligen Net Zero CO2-Ziele zu erreichen.

Beim Thema Nachhaltigkeit ist immer wieder vom „Event Carbon Footprint“ die Rede – was verbirgt sich dahinter?

Der Carbon Footprint kann auf Basis des Greenhouse Gas Protocols, einem Berechnungsstandard für Treibhausgasemissionen, bilanziert werden und zeigt die verursachten Emissionen auf. Er basiert grundsätzlich auf den im Kyoto-Protokoll der Vereinten Nationen berücksichtigten Treibhausgasen. Da diese in ihrer Wirkung auf das Klima stark voneinander abweichen, werden sie zugunsten einer besseren Vergleichbarkeit auf CO2-Äquivalente (CO2e) umgerechnet. Der Carbon Footprint einer Veranstaltung setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen: den Aktivitäts- und Verbrauchsdaten (dafür werden oft Sekundärdaten verwendet) und den Emissionsfaktoren. Diese geben die Emissionen pro Einheit (z.B. kg CO2e/kWh oder kg CO2e/km) an.

Julia Haack

  • FORLIANCE

Julia Haack ist Managerin für Klimastrategien bei FORLIANCE und unterstützt Unternehmen bei der individuellen Entwicklung solcher. Sie betrachtet und kalkuliert CO2e-Fußabdrücke für Veranstaltungen, Produkte sowie Unternehmen und berät hinsichtlich möglicher Reduktionsmaßnahmen und der Kompensation nicht-vermeidbarer Emissionen. Das Themenfeld Klimawirkung steht dabei im Vordergrund. Ein aussagekräftiger und transparenter Fußabdruck ist der erste Schritt einer holistischen Klimastrategie.

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Julia Haack

  • FORLIANCE

FORLIANCE ermöglicht Veranstaltungen im Einklang mit dem Klima seit bereits über 20 Jahren. Mithilfe der Erstellung einer nachvollziehbaren CO2 Bilanz und unserer zertifizierten Kompensationsprojekte, unterstützen wir unsere Kunden bei der Umsetzung ihres klimaneutralen Events. Wir bei FORLIANCE initiieren, finanzieren, schaffen und verwalten robuste naturbasierte Klimaprojekte und integrieren sie in die Nachhaltigkeitsstrategien unserer Kunden, um deren Net Zero Carbon-Ziele zu erreichen. Bestärkt durch die Veränderungen um uns herum und unser wachsendes Team haben wir beschlossen unsere Marken CO2OL und ForestFinest Consulting zu FORLIANCE zu vereinen.

Gibt es bestimmte Handlungsfelder oder Emissionsbereiche, die besonderen Einfluss auf den Fußabdruck einer Veranstaltung haben?

Hierzu gehören vor allem Energie, Wasserverbrauch, Abfallaufkommen, Catering, Mobilität, Übernachtungen und Material bzw. Partner. Mit strategischer Planung lassen sich in diesen Bereichen jedoch Emissionen erheblich reduzieren.

Kommen wir zum BOCOM-Kongress: Wie haben sich die Handlungsfelder auf dessen Event Carbon Footprint ausgewirkt?

Die wesentlichen Emissionstreiber bei BOCOM sind die Mobilität, Übernachtungen und das Catering. Sowohl bei der BOCOM als auch bei Präsenzveranstaltungen ist die Mobilität mit der größte Emissionsposten.  Durch hybride Veranstaltungen entsteht hier jedoch mit das größte Reduktionspotential im Vergleich zu klassischen Veranstaltungsformaten. Denn bei dezentralen Events nimmt die Nutzung von emissionsintensiven Transportmitteln (z.B. Flugzeug) tendenziell ab. Mit der Schaffung von Anreizen für die ÖPNV-Nutzung, einem Veranstaltungsort in der Nähe zum Fernbahnhof und Kooperationen wie dem klimaneutralen Ticket lassen sich zusätzlich Emissionen reduzieren.

Der zweitgrößte Emissionstreiber der BOCOM sind die Übernachtungen mit knapp 18 Prozent. Dieser Posten lässt sich nur bedingt vom Veranstalter beeinflussen, jedoch führen räumlich verteilte Veranstaltungen zu einer Absenkung der Pro-Kopf-Übernachtungen. Mit passenden Maßnahmen wie u.a. der Nähe zwischen Unterkunft und Veranstaltungsort, der Nutzung klimafreundlicher Energie oder der Wahl ressourcenschonender Unterkünfte, kann auch dieser Posten weiter reduziert werden.

Das Catering hatte mit knapp 13 Prozent den drittgrößten Einfluss auf den Fußabdruck der BOCOM. Die Wahl des Catering-Partners liegt immer im direkten Verantwortungsbereich des Veranstalters. Er entscheidet: Werden regionale, saisonale und faire Produkte verwendet? Zudem sollten die Catering-Partner bereits in den Planungsprozess einer Veranstaltung integriert werden, um möglichst nachhaltig planen zu können.

Wie würden Sie die Ergebnisse bewerten? Sind hybride Veranstaltungen tatsächlich nachhaltiger? Wir freuen uns über Ihr Fazit!

Die Auswertungen haben ergeben, dass bei BOCOM insgesamt knapp 37 Prozent der Emissionen durch den hybriden Charakter eingespart werden konnten, obwohl deutlich mehr Teilnehmer*innen dabei waren als im reinen Präsenz-Vergleichsszenario. Runtergerechnet auf eine einzelne Person ergibt sich eine Einsparung von rund 68 Prozent pro Person. Daher lautet meine Antwort: Ja, hybride Eventformate reduzieren den Fußabdruck eines Events und sind somit klimafreundlicher und nachhaltiger.

Mobilität und Übernachtungen sind sowohl bei hybriden als auch bei klassischen Formaten die Emissions-Hotspots. Dezentralisierung und Digitalisierung können diese Emissionen reduzieren. Auch die Anfahrt von Teilnehmer*innen wird bei hybriden Formaten potenziell kürzer und verursacht so weniger Emissionen als im klassischen Eventformat. Natürlich sollten Entscheidungen über digitale, hybride oder Präsenz-Formate im Einklang mit den jeweiligen Zielen einer Veranstaltung getroffen werden. Handlungsempfehlungen, die wir bei FORLIANCE entwickeln, dienen als Anhaltspunkte und müssen individuell je nach Veranstaltung angepasst und bereits in der Planung berücksichtigt werden. Alle Emissionen, die nicht reduziert werden können, sollten zudem durch die Unterstützung von Klimaschutz-Projekten, kompensiert werden. Ein aussagekräftiger und transparenter Fußabdruck ist dabei immer der erste Schritt in Richtung einer umfassenden Klimastrategie.

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